· 

Sprachverwandel

Die deutsche Sprache verfällt. Das bemerkte Jacob Grimm bereits 1819. Schuld daran ist meist die Jugend: Während Studenten des 19. Jahrhunderts in „Hefte“ schrieben, sich „skisierten“ (= sich heimlich verdrückten) und „duellierten“, wenn sie sich zum Zweikampf trafen, beschimpfen sich heutige Teenager gerne mal gegenseitig als „Opfer“, „gehen Döner“ und machen im Park einen auf „Gangster“, um zu zeigen, wie viel „Swag“ sie haben. Die Jugendsprache ist durch ihre vielen Abkürzungen – unter anderem auch in der Syntax - und Anglizismen für ältere Generationen oft ein Mysterium. Nur verständlich, dass dann manch einer von einer Verkümmerung des Deutschen redet.

 

Oder ist es das? Machen solche Wörter nicht eine Sprache erst lebendig? Ist das am Ende „nur“ Sprachwandel und kein Verfall? Es ist doch gut, dass jüngere Menschen grammatikalische Grenzen überschreiten. Dadurch entwickelt sich eine Sprache auf lange Sicht gesehen weiter. Auch die Wissenschaft schenkt der Jugendsprache in letzter Zeit mehr Beachtung: Jeden Herbst wird von einer Jury, bestehend aus Schülern, Studenten und Sprachwissenschaftlern, unter zehn vorgegebenen Begriffen das Jugendwort des Jahres gewählt. Prof. Dr. Eva Neuland beschäftigt sich schon seit etwa zwei Jahrzehnten mit dem Phänomen Jugendsprache. Die Germanistin hat empirisch das Sprachverhalten von über tausend Schülern untersucht und hält regelmäßig Vorträge zum Wandel der sprachlichen Höflichkeit im deutschen Sprachraum. Außerdem sind viele Wörter, die ursprünglich aus dieser Sprache kamen, heute fest in unserem Wortschatz verankert, wie beispielsweise „Mappe“ und „Papier“.

 

Wer jetzt befürchtet, dass sich in Zukunft Leute zur Begrüßung Phrasen wie „Aufs Maul, du Klobrillenpirat!“ an den Kopf werfen, kann sich beruhigen: Nicht jedes Wort aus dem jeweiligen Sprachgebrauch der Jugendsprache wird in den Duden übernommen. Kein Mensch bezeichnet eine junge Frau heute noch als „Zahn“, das Wort „nassauern“ wurde längst wieder mit der Umschreibung „auf Kosten anderer leben“ ersetzt. Andererseits bereichern Wörter, ursprünglich aus der Jugend- oder Studentensprache kommend, wie „super“, „Freak“ oder „Blamage“ unseren Wortschatz. Daher kann es gut sein, dass man in Zukunft weiter „Kino geht“. Aber ist das wirklich so schlimm, wenn wir diese Phrasen nur im lockeren Sprachgebrauch lassen?

 

von Jakob Späth

Kommentar schreiben

Kommentare: 0