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Vielfältiges Deutsch?

Mit Sprachwandel argumentieren die einen, mit Sprachverfall die anderen. Kein Thema ist derzeit so umstritten wie die Entwicklung unserer Muttersprache. Aber kann man

überhaupt noch von „unserer“ deutschen Sprache sprechen? Viel eher wird sie doch
heute von Fremdwörtern und Anglizismen gespickt. Das verunstaltete „Denglische“
der Kritiker steht dem lebendigen und vielfältigen Deutschen der Befürworter
entgegen. Manche gehen sogar soweit, die Fremdwörter von heute die Lehnwörter
von morgen zu nennen. Müssen wir uns also vielleicht gar keine Sorgen machen?
Haben die Befürworter Recht und unsere Sprache wird einfach nur reichhaltiger?
Nein, schreien da sofort die Kritiker und zwar aus einem guten Grund.
Fremdwörter und Anglizismen sind bereits von neuen Sorgen verdrängt worden.

 

Political Correctness: Erneut ein englischer Begriff, der unsere deutsche Sprache
verbessern soll. Aber darum geht es hierbei gar nicht. Kurz PC, soll eine
sprachliche Diskriminierung bestimmter Personengruppen verhindern. Hört sich in
der Theorie gut an, ist es auch, aber eben nur begrenzt. Hier stimmt mal wieder
der Satz „weniger ist mehr“. Dass unverheiratete Damen nun als Frau und nicht
mehr als Fräulein bezeichnet werden, hört sich gerecht an – es gibt nun mal
auch nicht den Begriff „Männlein“ oder „Herrlein“. Aber nicht nur die Frauen
werden bevorzugt, auch den Männern wird etwas zugesprochen. Putzfrauen sind
jetzt Reinigungskräfte und Krankenschwestern werden als Pflegekräfte bezeichnet
– Hauptsache gerecht und möglichst neutral soll es laut der PC-Befürworter
sein. Dass ein geistig oder körperlich benachteiligter Mensch kein Krüppel ist,
sondern ein Behinderter und die Irrenanstalt zur Neurologie wird, ist sehr
löblich. Aber da hätte man den Schlussstrich ziehen müssen. Wenn
ihr in Zukunft ein paar Kekse zu viel gegessen habt, ist das kein Problem mehr,
ihr seid nicht dick, sondern vollschlank; und wenn ihr in der Schule euren
Hausmeister sprechen möchtet, dann fragt bitte nach dem Facility Manager, sonst
weiß doch keiner mehr, wen ihr braucht. Und jetzt wird’s spannend für die
Erwachsenen unter euch. Es gibt keine Beitragserhöhungen mehr, nur noch
Beitragsanpassungen – super, oder? Leider nein, dass dies lediglich eine
Beschönigung - ein sogenannter Euphemismus - ist, wird leider nicht deutlich, denn teurer wird der Beitrag trotzdem.  Political Correctness, jetzt einfach mal auf Deutsch: politische Korrektheit, eine sinnvolle Idee, die jedoch sehr viel differenzierter angewendet werden sollte.

 

Und damit ist es noch nicht genug. Wir kommen jetzt zur Lieblingssprache unserer Jugend – halt, ich korrigiere: Zur neuen Standardsprache unserer Bevölkerung – nun geht
es ganz allein um das Kiezdeutsch, auch Kurzdeutsch genannt. Ganz eine neue
Sprache ist es natürlich nicht, viel eher ein neuer Slang, eine Art Dialekt, der Wörter verkürzt, Artikel komplett weglässt und sich gleichzeitig mehr und mehr in unserer Gesellschaft durchsetzt. Aber woher kommt diese neue Entwicklung überhaupt? Meistens wird sie von türkischen/arabischen Migranten gesprochen und schnell von
Muttersprachlern übernommen. Hört man Sätze wie: „Hast du Handy?“ oder „Komm,
lass MCi chillen“, gefolgt von dem Phänomen „ich schwör“ ist das schon lange
nichts Ungewöhnliches mehr. Beunruhigend? Nicht ganz. Kiezdeutsch darf nicht
nur negativ angesehen werden. Es erweitert auch das Spektrum des Deutschen
durch grammatikalische Innovationen und Ausdrücke. Es ist also ein
Sprachgebrauch, wie jeder anderer Dialekt, der Teil des Standarddeutschen ist,
aber gleichzeitig seine eigenen charakteristischen Merkmale mit sich bringt.
Problematisch wird es erst, wenn dem „Kiezdeutschsprecher“ das Standarddeutsch
fehlt und er somit ein sprachliches Handicap mit sich bringt. Vor allem in der
schulischen und später in der beruflichen Laufbahn führt dies zu einer starken
Benachteiligung.

 

Man kann also durchaus von einer Sprache sprechen, die in Bewegung ist. Ob diese Bewegung nun negativ oder positiv zu bewerten ist, sollte jeder selbst entscheiden.
Für diejenigen, die das Deutsche unbedingt erhalten wollen, gibt es bereits
Seiten wie www.deutschretten.com, die einem das „Adoptieren“ deutscher Begriffe ermöglichen, um Anglizismen zu vermeiden.

 

von Miriam Mittermeier

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